Jan´s Hintergrund
28
Feb
2018
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„Bilder haben eine große Kraft“

Unser Interview mit Carola Niemann, Gründerin vom The Curvy Magazine:

Carola Niemann fotografiert von: Ben Lamberty

Wie kam es zum Curvy Magazine?

Mit dem Gedanken habe ich schon vor drei, vier Jahren herumgespielt. Ich habe lange in Redaktionen gearbeitet, wie Allegra und Cover, also im Frauen Mode Segment. Ich habe mich immer ein bisschen darüber geärgert, dass es in den Größen 42,44 plus nichts vergleichbar ansprechendes in der Fotografie, wie auch im Layout gibt. So fing ich an, das was ich selber nicht gefunden habe, selber umzusetzen.

Auf eigene Faust?

Bisher auf eigene Faust. Ich habe erst versucht Verlage zu finden und die für dieses Thema zu sensibilisieren und ein Printmagazin zu produzieren. Das hat leider nicht geklappt und daraufhin habe ich beschlossen das Ganze als Online-Magazin selbst finanziert zu gestalten.

Die Themen wie Lifestyle und Mode kommen auch im Curvy Magazine vor. Sind es die curvy Models, die das Magazine von den anderen Frauenmagazinen abheben?

Die Perspektive ist eine andere. Wie zum Beispiel das Thema Liebe, wie man als curvy Frau im Liebeskarussell bestehen kann. Das ist eine andere psychologische Sicht auf die Dinge. Ansonsten ist der Schwerpunkt schon Mode. Das Informieren, das Kuratieren von Mode, das Darstellen von Mode, das Inspirierende von Mode – so etwas gab es für die Curvys bisher noch nicht. Wir zeigen Sport für kurvige Leute, wir zeigen Yoga für kurvige Leute, wir zeigen auch Ernährungstipps, wo es nicht darum geht abzunehmen, sondern sich gesund zu ernähren. Das sind so die Sachen, die mir am Herzen liegen.

Wenn wir 10 Jahre zurückblicken, finden Sie, dass sich unsere Sehgewohnheiten was curvy angeht schon verändert haben?

Rückblickend muss ich sagen, dass das Thema Diversity viel zu wenig bespielt worden ist. Dank Social Media, besonders Instagram, hat sich da eine Bewegung gebildet. Die Szene hat sich selbst in Bewegung gesetzt und hat sich eine Stimme und ihre eigene Optik erobert. Das ist natürlich eine wunderschöne Entwicklung. Das heißt, man ist da nicht alleine. Vielleicht will jemand 10 Kilo abnehmen aber bis es soweit ist bedeutet das nicht, dass dieser Jemand sich in Sack und Asche hüllt und unsichtbar für die Gesellschaft werden muss.

Das Curvy Magazine hat eine sehr große Community auf Instagram. Wie kommt das?

Wir haben eine sehr große Community auf Instagram, weil die Generation eine andere ist. Es ist eine Generation, die mit einem anderen Selbstbewusstsein groß wird. Es ist eine Generation, die sich wehrt und die eine Stimme haben möchte. Es ist keine Generation, die sich einem Diktat unterwirft und sagt, ich werde es eh nicht erreichen, also versuche ich mich unsichtbar zu machen. Das ist vielleicht ein sehr trauriges Fazit von der Vergangenheit. Und die Zukunft ist anders: Die Zukunft ist bunt, die Zukunft ist schriller, die Zukunft ist feminin. Da sagen die Frauen: „Da bin ich! Ich möchte mich kleiden wie ich will, ich möchte Spaß haben, ich möchte einen Job machen, ich möchte Familie haben, und ich will nicht reduziert werden auf ein Mode Diktat!“

https://www.instagram.com/p/BfDlhRVjFZo/?hl=de&taken-by=felicityhayward

Die Gesellschaft bewegt sich nur sehr langsam in Richtung Inklusion, Diversity, Frauenpower. Alles davon wird in Frage gestellt. Es gibt oft ein „Ja aber“. Was nervt Sie am meisten?

Es nervt mich ein bisschen, dass das „Ja aber“ sich häufig auf das Thema Gesundheit bezieht. Das es heißt, man fördere doch mit so einem Ideal eine Fettsucht. Das nervt, weil die Gesundheit einer Person in erster Linie ihre Privatsache ist, und nur sie und ihren Arzt etwas angeht. Es ist nicht unbedingt gesagt, dass alle die der „Norm“ entsprechen, auch unbedingt gesund sind.

Die BMI Doktrin von oben stimmt nicht?

Das Gesundheitsthema sollte nicht in der Mode beginnen, sondern bei Ernährung, bei der Regierung, in dem Angebot was die Kinder bekommen, um sich zu bewegen, in Lebensmittelkennzeichnung. Da steckt viel mehr Potential sich zu streiten, als über jemand, der eine 42 oder eine 46 trägt. Und ob man diese Größe 46 überhaupt in der Öffentlichkeit präsentieren sollte.

Was sagen Sie in die Richtung High Fashion? Dort präsentieren sehr junge und dünne Menschen Kleidung für Männer und Frauen.

Ich möchte da kein Bashing in irgendeine Richtung betreiben. Ich möchte, dass das Magazin in beide Richtungen offen bleibt. Es hat beides seine Berechtigung aber es wird an der Zeit, dass die andere Seite viel deutlicher in Erscheinung tritt. Die Welt ist bunt. Es gibt dünne Frauen, die nie dick waren oder sein werden und die vielleicht auch darunter leiden, dass sie nicht die Hüften haben, den Busen haben. Ich möchte denen nicht sagen: „Schau her, wir sind die echten Frauen und ihr nicht“. Das finde ich ein ganz falsches Signal.

Sind Plus Size Bloggerinnen phantasievoller als der Mainstream Modemarkt?

Es geht darum auch jungen Frauen zu zeigen, die vielleicht 16 oder 17 Jahre alt sind und nicht wissen, wohin sie sich entwickeln, Vorbilder zu geben. Nicht zu sagen: „Ihr seid nicht normal, weil ihr schon Busen und Bauch habt.“ Sondern „So seid ihr gestrickt worden.“ Ich finde die Vorstellung sehr traurig, dass ein Mädchen noch mehr isst und zunimmt, weil sie das Gefühl hat, sie wird sowieso nie diese dünne Person sein. Oder eben anfängt zu hungern, weil sie unbedingt so eine Person sein möchte. Beide Richtungen finde ich nicht so toll. Ich finde es toll, wenn es Magazine und Vorbilder gibt. Überhaupt haben Bilder eine große Kraft. Wenn man Frauen sieht, mit Bauch, Po, Busen und dann denkt, wow, die sieht ja super aus, dann hadert man nicht mehr so mit sich selber. Das finde ich das Schöne.

Glauben Sie, dass es kurvigen Frauen schwerer fällt Selbstbewusstsein aufzubauen, als Männern?

Ich glaube, dass es für die Frauen schwieriger ist, als für Männer, weil sie sich untereinander strenger bewerten. Das ändert sich hoffentlich bald. Männer sind eher Kumpels. Die gucken Fußball und da macht es nichts, ob der eine ein bisschen dicker ist, als der andere. Wenn man eine Mädchengruppe ist und zusammen shoppen geht, ist diejenige in Größe 42 vielleicht eher frustriert, als die anderen. Wobei ich auch bei Jungs feststelle, dass sie dazu gezwungen werden ein gewisses Aussehen anzunehmen, ein Sixpack zu haben, und etwas darstellen müssen.

Es ist allerdings viel leichter weibliche Plus Size Bloggerinnen zu finden, als Männer.

Die Männer sind im Kommen, sie sind auf dem Vormarsch! Wir haben uns im Magazin auch damit beschäftigt und wir wollen eine neue Rubrik aufbauen: Mansworld. Wir haben auch Instragram jetzt den ManCrushMonday (#mcm). Da stellen wir immer montags einen männlichen Blogger vor. Da freuen sich die Männer, aber auch die Frauen. Aber es könnte sicherlich von den Männern noch mehr Mut aufgebracht werden, ihren Style zu präsentieren.

https://www.instagram.com/p/BZ0RL4Rncej/?hl=de&taken-by=raulsamuel_official

Können Sie sich vorstellen mehr Männer anzusprechen mit ihrem Magazin?

Selbstverständlich. Wir wollen im Magazin nur eine Rubrik für Männer aufbauen. Ich kenne mich sehr gut auf dem Modemarkt für Frauen aus, jetzt können wir uns an den Modemarkt für Männer herantrauen. Der Schwerpunkt wird bei Frauen sein, aber die Männer bekommen bei uns auch eine Plattform.

Was könnten sich Männer von den Frauen abschauen?

Den Mut nach außen zu gehen und auch die Experimentierfreudigkeit mit der Mode. Mit der Farbe, Stoffen und Schnitten. Das sollten auch straight Männer haben, die curvy Gay Community ist da schon weiter. Die trauen sich mal ein Hawaiihemd zu tragen. Es muss nicht nur Dunkelblau und Schwarz sein, um möglichst unauffällig zu sein. Und das haben die curvy Frauen schon raus, dass sie Knallrot und Gelb mit Weiß tragen. Die sagen: „Ob ich Querstreifen trage bestimme immer noch ich. Wenn ich mich wohl darin fühle, dann ist es auch mein Style.“

Was ist die wichtigste Message vom Curvy Magazine?

Die wichtigste Message ist: Sei du selbst und genieße dein Leben!

Und wenn wir dabei helfen können, diesen Genuss umzusetzen in Mode, Phantasie, in Beauty, in Reisen, in Sexthemen, dann freuen wir uns, dass wir das machen können.

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