Craftbeer – eine Leidenschaft
Interview Teil 1
Boris Georgiev ist Chefredakteur des Craftbeer Magazins, braut selbst Bier in der kleinsten gewerblichen Brauerei Deutschlands, der Zeugenbräu, und gibt Bierbrau-Kurse.Von Haus aus ist er Fotograf, Journalist und Craftbeer-Experte. Wir treffen uns auf dem kleinen Craftbeer-Festival „Handgemacht“ in Berlin Prenzlauer Berg.
Wie hat sich deine Leidenschaft für Craftbeer entwickelt?
Ich habe immer schon leidenschaftlich gern Bier getrunken und unterwegs immer das lokale Bier bevorzugt. Irgendwann habe ich angefangen mir Notizen zu machen, weil ich das sehr spannend fand, wie unterschiedlich Biere schmecken.
Dann hat ein Freund von mir eine Brauerei aufgebaut und er meinte zu mir: „Boris, du weißt viel über Bier aber ein Baustein fehlt dir noch, du weißt nicht wie man braut. Komm mal vorbei, ich zeige dir wie das geht. Das fand ich sehr spannend und bin auch beim Brauen geblieben.
Geht es, wie beim Wein, um Aromen und Anbaugebiete?
Ja, es fängt tatsächlich mit den Anbaugebieten von Hopfen an. Es unterscheidet sich natürlich, ob ich einen amerikanischen Hopfen habe oder deutschen, weil ich anderes Klima habe und andere Böden. Aber das sind Marginalien, die stecken noch in den Kinderschuhen. Es gibt viel spannendere Entwicklungen wie beispielsweise der Fassausbau.
Was ist damit gemeint?
Ich nehme ein kräftiges Stout-Beer und lasse das ein halbes Jahr in einem Fass reifen, in dem vorher Bourbon drin war. Dadurch zieht sich das Bier die vanilleartigen Noten raus. Oder ich hatte letztens ein Bier ausgebaut in einem Single Malt Fass. Das sind zwei vollkommen unterschiedliche Biere. Die Aromen vom Fass bringen nochmal einen ganz anderen Charakter. Und das kannst du mit allem machen. Mit Weißwein, Tequila und so weiter. Da sehe ich sehr großes Potential. Und ich muss auch sagen, das macht Bier viel spannender als Wein.
Gibt es bestimmte Gläser für bestimmte Biere?
Ja, sehr unterschiedliche. So ein Bier aus der Flasche zu trinken ist Perlen vor die Säue. Die meisten Gläser sind bauchig und werden nicht ganz gefüllt, damit genug Platz für das Aroma bleibt, da es genauso wichtig ist, wie das Schmecken. Viele Aromen entfalten sich besser in der Nase, als auf der Zunge. Es ist wie bei einem Whiskey oder einem guten Wein. Da riecht man auch dran.
Bei IPAs sind die Gläser beispielsweise unten geriffelt, damit viel Schaum entsteht, der die Aromen transportiert. Es gibt zahlreiche Glasformen. Da haben sich die Glashersteller mittlerweile drauf eingestellt.
Was ist IPA?
India Pale Ale, viel Alkohol und irre viel Hopfen, sehr bitter. Aber weil viel Hopfen drin ist, ist es die Lieblingsspielwiese von den Brauern, weil man da super experimentieren kann. Man kann mit Hopfen alles machen. Es gibt Hopfen der schmeckt nach Zitrus, Mango oder Pinie. Es gibt also ein Riesenpotential aus dem man schöpfen kann und das findet sich im IPA am besten wieder.
Es hat länger gedauert, bis ich dazu gefunden habe und mich danach geärgert, dass ich jahrelang einen Bogen drum gemacht habe. Es braucht einfach mehr Erfahrung.
Hält sich Craftbeer an das Reinheitsgebot?
Fast alle Biere, die du hier (auf dem Festival) findest sind nach dem Reinheitsgebot gebraut. Aber man muss es nicht. Meine Brauerei ist die kleinste gewerbliche Brauerei Deutschlands und mein Motto ist: garantiert nicht nach dem Reinheitsgebot gebraut. Da wird sicher ein Wandel stattfinden. Es hat sich gerade ein Verein gegründet: Der Bund der Deutschen Kreativbrauer e.V., als Gegenpol zum Deutschen Brauerbund, weil sie sich dort mit ihren kreativen Ideen nicht mehr aufgehoben fühlen. Jedes Bier, dass nicht nach dem Reinheitsgebot gebraut wurde, muss man beantragen, da hat keiner mehr Lust zu.
Der Deutsche Brauerbund argumentiert so: „Wir haben so viele tolle Hopfensorten, da kriegt man alle Aromen unter.“ Natürlich gibt es Hopfen, der nach Mango schmeckt, aber wenn man eine Mango reinschmeißt, dann schmeckt sie viel mehr nach Mango, als der Hopfen das leisten kann. Und was ist an Mango weniger „rein“ als an Hopfen?
Trinkst du konventionelles Bier?
Ja, wenn ich unterwegs bin. Wobei ich sagen muss, da bin ich eigen. Ich trinke nur eine bestimmte Sorte und wenn es diese nicht gibt, dann trinke ich eine Apfelschorle oder ein Weißbier. Alles andere schmeckt totlangweilig.
Wie sieht es mit der Craftbeer Community aus? Jeder für sich?
Nein, die Craftbeer-Szene ist eine große Familie. Wenn du auf einem Craftbeer-Festival bist, dann siehst du immer die gleichen Gesichter. Das sind ja auch keine anonymen Brauereien. Du hast immer ein Gesicht dazu. Es sind immer Personen, die mit ihrem Produkt verbunden sind. Das ist ganz wichtig dabei.
Natürlich sind auch alle Konkurrenten, jeder will seinen Umsatz haben, aber im Vordergrund steht der Spaß. Du wirst kein Craftbrauer, wenn du nicht Spaß an der Sache hast. Es gehört dazu voneinander zu probieren und miteinander zu schnacken.
Wie kommt man an das Bier ran? Es wird ja nicht in großen Mengen produziert.
Ja, die meisten produzieren 3000-5000 Hektoliter pro Jahr, das produzieren konventionelle Brauereien wahrscheinlich am Vormittag.
Es gibt spezielle Craftbeer Stores. In Berlin ist es einfach, da gibt es ohne Ende Craftbeer Bars. In Hamburg ist das ein bisschen spärlicher gesät. Im Internet gibt es zahlreiche Craftbeer-Händler, die sich auf deutsche und Internationale Craftbeere spezialisiert haben.
Verändert die Craftbeer-Bewegung das oft negative Image von Bier?
Also ein Ziel ist es nicht. Wir wollen die Leute dazu bringen wieder gutes Bier zu trinken. Denn in den letzten 20 Jahren haben sich die Industriebiere immer mehr angeglichen. Sind immer sanfter geworden. Klar: Wenn man viel verkaufen will, geht man eben den Weg des geringsten Widerstands.
Wenn man sich bei Craftbeeren durchprobiert, wird man bei vielen Bieren sagen, das ist überhaupt nicht meins, und andere sagen, wie geil ist das denn! Es polarisiert und es muss auch nicht jedem schmecken. Es muss in erster Linie den Brauern schmecken, kein Brauer würde hier mit einem Bier ankommen, von dem er nicht 100% überzeugt ist. Wenn es anderen schmeckt ist es gut, aber es darf polarisieren. Wir sprechen immer von deutscher Bierkultur. Was soll das denn sein? Sechserträger und Fußballgucken?
Die Vielfalt auf diesem Festival, das ist für mich Bierkultur.
Da spielt euch der Trend für gutes Essen in die Hände. Jetzt nicht mehr nur „Iss was dir guttut, sondern trink Gutes dazu“.
Genau das. Das heißt die Bewegung hat genau zum richtigen Zeitpunkt gestartet. Es geht vielen Menschen darum sich viel bewusster zu ernähren. Gar nicht unbedingt nur öko aber regional, bewussterer Umgang mit Lebensmitteln. Das geht in die gleiche Richtung, sich bewusster zu ernähren, und sich mit dem was man zu sich nimmt genauer zu befassen. Das ist mit Bier nicht anders.
Gibt es einen bestimmten Typ von Craftbeer-Brauern?
Es sind schon oft Nerds. Der durchschnittliche Craftbrauer ist so zwischen 30 bis 40 Jahre alt, ähnlich wie der Konsument.
Man findet natürlich ältere oder jüngere. Aber es gibt viele mit einer abgeschlossenen Berufsausbildung, die ein paar Jahre gearbeitet haben und dann merkten, es rockt nicht mehr. Sie sind seit Jahren Hobbybrauer, es schmeckt ihnen und ihren Freunden, also machen sie eine Brauerei auf.
Viele Hobbybrauer haben so angefangen. Es ist harte Arbeit. Man hat keine 40 Stunden Woche. Dann schlägt man sich die Wochenenden auf solchen Festivals um die Ohren. Morgens um 9 geht’s los, dann stehst du bis abends um zehn in der Brauerei. Aber sie lieben es alle, sonst würden sie es nicht machen.
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